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Zusammengestellt von:
• Zita Grócz
(Kathedralbibliothek von Kalocsa)
• Tamás Sajó, Antonio Bernat Vistarini
(Studiolum)
Englische Version: John T. Cull
(College of the Holy Cross)
Deutsche Version: Sonja Lucas
(Deutsche Stiftung Denkmalschutz)
Edition: 2006 – ISBN 963-87196-1-3
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Buch der Psalmen Psalterium cum
canticis, MS 382
Prag oder Krumlau um 1438
90 fols. 256 ×175 mm, Pergament
Dieses kleine Psalterium ist die am aufwendigsten illuminierte Handschrift der
Kathedralbibliothek. Die wertvolle lateinische Handschrift enthält die
Psalmen Davids und Lobgesänge. Die Handschrift ist in gotischen Lettern
verfaßt und war für den liturgischen Gebrauch bestimmt. Sie ist mit
zahlreichen reich geschmückten Initialen versehen, einige sind mehrfarbig
und goldgehöht, andere bestehen aus rotem und blauem Dekor.
Für den Buchschmuck von Psalterien war die im Mittelalter übliche Einteilung
der Psalmen maßgeblich. Das vorliegende Psalterium aus Kalocsa folgt jedoch
keinem der bekannten Dekorations-schemata. Die Initialen dieser Handschrift
sind nicht wie die üblichen Psalmillustrationen gestaltet, wenn man von
einer absieht, die König David beim Harfespielen zeigt. Psalm 26 ist zum
Beispiel mit dem Bild des Salvator mundi verziert, Psalm 68 mit dem
Schmerzensmann, Psalm 97 mit der Halbfigur der Muttergottes mit dem Kind und
Psalm 109 mit der Vera icon, dem Abdruck des Antlitzes Christi auf dem
Schweißtuch der Heiligen Veronika.
Die feine Strichführung, die grazile Gestik der Figuren und die gewundenen
Ornamente aus goldenen Blättern in den Marginalien kann man mit böhmischer
Buchmalerei der 1430er Jahre in Verbindung bringen. In den Darstellungen
stehen die Mutterschaft Mariens, die menschliche und göttliche Natur Christi
und sein Opfer im Vordergrund.
Darüber hinaus gibt es eine überraschend hohe
Anzahl eucharistischer und liturgischer Motive, die die katholische Kirche
in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts verbreitete. Diese Inhalte könnten
in dem ikonographischen Programm der Handschrift als Antwort auf die Lehre
der Hussiten aufgegriffen worden sein und gehören wahrscheinlich in die Zeit
des Niedergangs der Hussitenbewegung und der Vereinigung verschiedener
katholischer Strömungen in einem der beiden Glaubens- und Kunstzentren Prag
oder Krumlau.
Zwar blieb der Auftraggeber unseres Psalteriums unbekannt, jedoch kann man ihn
in der Darstellung eines Geistlichen erkennen, der vor dem Schmerzensmann
niederkniet. Die Datierung der Handschrift „um 1438” ist begründet durch
ihre stilistische Nähe und ikonographische Verbindung mit einem Psalterium,
das 1438 für Hanuš z Kolovrat entstanden war, dem späteren Propst der St.
Veits-Kathedrale in Prag und einem der berühmtesten Sammler seiner Zeit. |